◊ Reformationsdenkmal (6)

  • Die Darstellung des Reformationsdenk-mals in Stuttgart ist in sechs Hauptbe-reiche gegliedert.
    Zur leichteren Orientierung hier kurze Beschreibungen der einzelnen Ab-schnitte, der Link führt dann dorthin:

    Im 1. Bereich

    Kurze Einführung, alle Fotos inkl. der Mauerzeichnungen - Gegenüber-stellung zur Originalgestalt und heute

  • Dokumente aus dem Jahr 1911:
    71 Entwürfe wurden zum Wettbewerb eingereicht, daraus werden vom Preisgericht zunächst 11 in die engere Wahl gezogen und schließlich 4 ausgewählt (Gebrüder Walz, Jakob Brüllmann, Emil Hipp und Anton Morel, Hermann Lang). Diese werden "in Konkurrenz" aufgefordert, ihre Entwürfe weiter zu konkretisieren. Über die Jury-entscheidung erhebt sich (natürlich) auch heftiger Streit.
    Im November wählt das Preisgericht aus den vier Entwürfen den von Jakob Brüllmann, obwohl er in seiner Gestal-tung weit vom Ausschreibungstext abweicht. Dies wird im Folgejahr zu heftigsten öffentlichen Auseinander-setzungen führen.

  • Dokumente aus den Jahren 1912 + 1913:
    Frühjahr 1912: endgültiger Auftrag (mit Kostenberechnung) an J. Brüllmann und Kauf des Grundstücks von der Stadt Stuttgart. Herbst 1912 erster dokumen-tierter Widerstand gegen die Konzep-tion Brüllmanns
    1913 keine Dokumente auffindbar für die ersten 10 Monate. November und De-zember heftiger öffentlich ausgeführter Streit (in zahlreichen Zeitungen) über die Gestaltung. Der Engere Rat der Evang. Gesamtkirchengemeinde beendet den Streit mit einem öffentlichen Appell.

  • Dokumente aus dem Jahr 1910:
    Im Frühjahr wird von Papst Pius X die Enzyklika "Editae saepe" veröffentlicht, im Volksmund "Borromäus-Enzyklika" genannt (nach dem Gegenreformator Carlo Borromeo). Diese wird vor allem in den deutsch-sprachigen Ländern als vehemente, extrem diffamierende Stellungnahme gegen den Protestan-tismus verstanden und führt überall zu heftigen Protesten / Gegenbewe-gungen. In Stuttgart ist sie die maßgeb-liche Inítialzündung für das Wiederauf-leben des Denkmalausschusses und das Einsetzen einer konkreten Planung.
    Man beginnt (sehr erfolgreich) Spenden einzusammeln; im Dezember wird ein Wettbewerb ausgeschrieben mit dem Ziel, vier Vorentwürfe zu bekommen.

  • Dokumente aus den Jahren 1917 + 1918 (und später)

    (Keine Dokumente 14 - 1916 vorhanden)

    Vorberichte, Programm und Berichte der Einweihung. Scan der Festschrift von Johannes D. Merz (Vorsitzender des D'Ausschusses) mit vielen präzisen Details.
    Abschlußprotokoll des Denkmalaus-schusses Anfang 1918 (und Auflösung).
    Spätere Zeitungsberichte.

Frühjahr 1917 - Bauakten zum Download

Dateiname

Datum

Inhalt

19170312-1.jpg

12.03.1917

Grundriß HK mit Denkmal eingezeichnet

19170312-1.pdf

12.03.1917

Lageplan

19170321.pdf

21.03.1917

Baugesuch

19170326.pdf

26.03.1917

Bauantrag

19170403.pdf

03.04.1917

Genehmigungsurkunde

19170405.pdf

05.04.1917

Gutachten des Ortsbautechnikers

19170410.pdf

10.04.1917

Stellungnahme Ortsausschuss Natur- & Heimatschutz

19170413.pdf

13.04.1917

Gutachten

15.04.1917 Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt

Von da und dort. Die Arbeiten am württ. Reformationsdenkmal, schon vor dem Krieg weit gefördert, gehen ihrer Vollendung entgegen. Der langjährige Vorsitzende des Denkmalausschusses, Präsident D. Freiherr W. von Gemmingen, Exz., der altershalber sich veranlaßt gesehen hat, zurückzutreten, wurde vom Ausschuß in Würdigung seiner Verdienste zum Ehrenvorsitzenden ernannt; an seine Stelle wurde Prälat D. von Merz zum geschäftsführenden Vorsitzenden berufen.

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt 15.04.1917 - S. 125

23.06.1917 Veranstaltungsanzeigen

Schwäbische Kronik

Stuttgarter Neues Tagblatt

23.06.1917 Vorbericht Schwäbische Kronik

Zum schwäbischen Reformationsdenkmal.

Ehrwürd’ge Kirchenwand aus alten Tagen,
Entsprang dir selbst dies wundersam‘ Gebilde?
Den Heiland seh ich hehr und still die wilde,
Die blut’ge Welt erbarmend überragen.

Und von dem Gotteszug emporgetragen,
Wie goldne Frucht aus sonnigem Gefilde,
Wächst Martins Geist; Johannes, ernst und milde,
Sinnt nach dem Wort, vor ihnen aufgeschlagen.

Der gräbt aus tiefem Schacht die ew’gen Kräfte,
Die eine Welt aus Not und Jammer heben,
Und dieser führt uns zu die Lebenssäfte,

Daß wir befreit mit Christus aufwärts schweben
Und fühlen’s froh im Drang der Weltgeschäfte
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

K. Hoffmann.

Das württembergische Reformationsdenkmal
an der Hospitalkirche zu Stuttgart.
(Sonntagsartikel.)

Wenn jemals ein Kunstwerk die Frucht reiflicher Ueberlegung war, so ist es das Reformationsdenkmal, das nunmehr in Stuttgart enthüllt wird. Der Gedanke ist fast ein Menschenalter hindurch wieder und wieder durchgedacht worden. Als in Luthers 400. Geburtsjahr die jährlichen Gedenkfeiern in Stuttgart begonnen hatten, regte der unvergessene spätere Stadtdekan und Oberkonsistorialrat Dr. v. Braun zuerst den Gedanken an, Stuttgart müsse nun auch einmal sein Lutherdenkmal bekommen. Er dachte sich das Standbild Luthers gerne in Verbindung mit der Hospitalkirche, am Chor, etwa dort, wo der Brunnen steht, und die Idee einer Verbindung mit einem Brunnen hat dann noch längere Zeit nachgewirkt. Damals dachte man an nichts anderes als eben an ein möglichst eindrucksvolles Lutherstandbild.

Es ist wohl ein Glück zu nennen, daß dieser Gedanke nicht zur Ausführung kam. Württemberg mit der Eigenart seiner Reformationsgeschichte und seiner Stellung unter den evangelischen Landeskirchen Deutschlands verdiente auch ein eigenartiges Reformationsdenkmal. Die kunstgeschichtliche Entwicklung in Deutschland brachte es nun mit sich, daß man bei einem solchen Denkmal zu Beginn des 20ten Jahrhunderts an einen monumentalen Aufbau dachte, wozu manche Höhe im Umkreis Stuttgarts Gelegenheit geboten hätte. Man empfand aber richtig, daß so etwas gerade unserer schwäbischen Art nicht entspreche, und, wenn wir jetzt im Weltkrieg ein solches Denkmal einweihen sollten, auch etwa in Verbindung mit einer stolzen Lutherkirche, es wäre uns eine förmliche Verlegenheit.

Zum großen Teil dem Einfluß Theodor Fischers ist es zu danken, daß der Denkmalsplan in Anlehnung an frühere Gedanken auf eine andere Bahn gebracht wurde. Das Werk sollte an die Hospitalkirche zu stehen kommen. Hat auch geschichtliche Forschung die Annahme erschüttert, daß diese Kirche die Predigtkirche Eberhard Schnepfs sei, so ist sie doch eine unserer alten, aus der Reformationszeit stammenden Kirchen und die einzige, die noch in Betracht kommen konnte. Der Hospitalplatz bietet, nachdem der einzigartige Schloßplatz ausgeschieden ist, die geschlossenste und traulichste, doch geräumige Umgebung für ein zum Herzen sprechendes Kunstwerk, und die reichere Gliederung der Osthälfte des Schiffes an seiner Südseite lädt zu solchem Schmuck ein, während der ruhige, westliche Zug vom Portal ab keine Unterbrechung duldet. So war der Platz gegeben: Zwischen zwei Pfeilern des Abschnittes vom Hauptportal zum Turm an der Langseite der Kirche. Dazu stimmend das Material: Der vielfach bewährte Muschelkalk unseres Landes. Dann aber nicht etwa ein zwischen die Pfeiler gestelltes Standbild, sondern ein Kunstwerk, das die Reformation selbst in ihrer Idee zum Ausdruck bringt, künstlerisch eng verbunden mit der Kirchenfassade, in die Pfeilernischen hineingestellt und doch die Reformatorengestalten lebendig hervortreten lassen.

Nun hat aber ein geschichtliches Moment, das uns heute im Weltkrieg fast aus dem Gedächtnis geschwunden ist, die weitere Entwicklung des Gedankens beeinflußt. Es kam das Jahr der Borromäus-Enzyklika. Das Wort von den „Feinden des Kreuzes Christi“ erregte mächtig die Gemüter. Es schien kein Zweifel darüber zu sein: Die Reformatoren müssen, wie es schon geplant war, unter dem Kreuz Christi stehen. Heute wird man sich fragen, ob eine noch so ernste und tief gehende Stimmung, die doch an einem einzelnen Ereignis haftet, das durch viel gewaltigere überholt werden kann, der geeignete Ausgangspunkt sei für ein Werk, das auf Jahrhunderte rechnet. Und mit einer inneren Gewalt, die uns jetzt in providenziellem Sinne erscheint, wurde dieser Gedanke, der so zwingend schien, von einem andern überhöht. Der Aufruf ging noch unter dem ersten Gesichtspunkt ins Land und brachte bald die erforderlichen Mittel – wie wäre es gegangen, wenn man etwa erst 8 Jahre vor dem Reformationsjahr begonnen hätte? Das Wettbewerbsausschreiben an württembergische und in Württemberg lebende, von auswärts stammende Künstler wies ebenfalls in diese Richtung, ließ aber eigenen künstlerischen Gedanken freie Bahn. Und solche eigene Gedanken stellten sich beim Wettbewerb ein. Die Kreuzgruppen wollten nicht befriedigen. Stand nicht auch Aehnliches an der Leonhardskirche und in der Hospitalkirche selbst? Aber es war ein Entwurf darunter, der sofort die Künstler und Kunstsachverständigen im Ausschuß überzeugte: Der auferstehende Christus stellt die Idee der Reformation dar; die Reformatoren Luther und Brenz erschienen in sitzender Stellung an zwei Pfeilern der Kirche, während das Auferstehungsbild reliefartig die Nische einnimmt. Was die Kenner überzeugte, war der einheitliche Gedanke, die innere Verbundenheit des Entwurfs, das völlige Zusammenstimmen von Architektur und Plastik. Der Gedanke, die Reformation als das wieder erstehende Leben in Christus selbst darzustellen, hatte etwas Einleuchtenderes als das Kreuzbild, von dem doch das Mittelalter ebenso beherrscht ist. Die hervorragende plastische Gestaltungskraft des Künstlers zeigten die ersten Proben. Es war Jakob Brüllmann, geborener Thurgauer, längst in Stuttgart ansässig, nach Ausbruch des Weltkriegs deutscher Reichsbürger geworden.

Freilich für weitere Kreise bedurfte es zunächst eines Umdenkens. Man hatte sich schon tief in die Kreuzgruppe hineingedacht. Kein Modell konnte dem ungeübteren Auge eine klare Vorstellung von der Wirkung des vollendeten Werkes geben. Vollends Abbildungen des Entwurfs gaben ein ganz ungenügendes Bild. So war es durchaus begreiflich, daß die Oeffentlichkeit schwerer als der mit der Sache befaßte Kreis sich in die neue Wendung hineinfinden konnte. Darum wurden in gewissenhafter Weise weitere Gutachten eingeholt. Mit überraschender Einmütigkeit sprachen sie sich von verschiedenen Gesichtspunkten aus nicht nur zustimmend, sondern mit warmer Ueberzeugung für den Entwurf aus. Die äußeren Voraussetzungen für die Ausführung an der ins Auge gefaßten Stelle wurden dadurch gegeben, daß die Stadt Stuttgart den erforderlichen Platz käuflich an die evangelische Gesamtkirchengemeinde zu Kosten des Denkmalfonds abtrat und diese das Werk in Schutz und Pflege übernahm.

Nun reifte das württ. Reformationsdenkmal in der Werkstatt des Künstlers heran. Was er mit einem inneren Blick geschaut hatte, blieb fest in seinen Grundzügen und wurde nur immer tiefer durchgearbeitet, um schließlich in Stein von ihm selbst ausgeführt zu werden, so wie es jetzt vor uns stehen wird.

Der Blick erhebt sich andächtig zu der hoheitsvollen Heilandsgestalt, die dort vor dem gotischen Fenster aus in fließendem Schwung bewegten Gewändern sich machtvoll erhebt. Der Schaft der Fahne in der Rechten gibt dem emporstreben etwas Sicher=Kraftvolles, die Pfeiler der Kirche ziehen mit zur Höhe, die starken Horizontalen der Auferstehungsfahne, des Kaffgesimes, des Unterbaus vollenden den Eindruck. Eine lebendige Bewegung der Gestalt und eine überirdische Ruhe des Angesichts in strengem, an frühe Kunst gemahnendem Stil drängen trotz des Steinmaterials den Gedanken an irdische Greifbarkeit zurück. Es ist eine Vision in Stein von tiefstem Ideengehalt – das göttliche Leben, das sich allumfassend und allerbarmend aus Todesbanden erhebt. Man muß lange in das Antlitz schauen, um das immer tiefer zu empfinden. Der Tod aber, den dies Leben überwindet, ist sinnreich angedeutet in dem Sarkophag, dessen schlichte Reliefdarstellung der Grablegung und dessen bescheidenes Maß wieder den Gedanken an alltägliche Wirklichkeit entfernt. Er aber ruht auf Lagern, die an ihrer Stirne die streng stilisierten Evangelistensymbole tragen und zwischen sich, unter dem Sarkophag, eine tiefe dunkle Höhlung lassen, an das Grabesdunkel erinnernd. Die Platte, die das Ganze trägt, gibt in großen, klaren Buchstaben die biblische Deutung des Geschauten, zugleich den geistigen Gehalt der Reformation: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Die linke Hand des Auferstehenden weist mit segnender Haltung nach unten in die durch das Gesimse abgegrenzte Erdenwelt. Sie erinnert, wie ein Betrachter meint, an das Wort: „Gleich wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende sie auch in die Welt“. Folgen wir ihrer Bewegung, so trifft das Auge auf Luthers Kraftgestalt in gedrungener Massigkeit und voller Rundplastik vor dem Pfeiler sitzend, an ihn gebunden und doch mächtig hervortretend. Es ist fast eine Porträtstatue; doch überstrahlt der geistige Gehalt die Naturwahrheit. Nicht ein stehender, protestierender Luther, der nicht hierher gehört, sondern mit dem leicht erhobenen Haupt, der innere Ergriffenheit widerspiegelnden Stirnfalte, dem energischen, innerste Bewegung verratenden Mund, der sich lösenden rechten ein Bild inneren Schauens dessen, was über ihm, nicht mit dem Leibesauge gesehen, aufgeht – heraus aus der auf den Knieen ruhenden, aufgeschlagenen Bibel. Es ist der Mann, der die rettende Wahrheit, die wir im Steinbild des Auferstehenden erblicken, innerlich schaut und sie, sich erhebend, zur Tat machen wird.

Vor dem anderen Pfeiler sitzt Johannes Brenz, der eigentliche und abschließende Reformator Württembergs, der zugleich der alten Reichsstadt Hall und dem württ. Franken, ja als organisatorischer Mitarbeiter so mancher deutschen Landeskirche angehört. Die Aufgabe war keine einfache, neben den überragenden Genius der Reformation einen zweiten Mann zu setzen, ohne daß er in Schatten gestellt wird. Sie ist vollkommen gelöst. In der Volltracht des theologischen Lehrers, Professorentalar und Barrett, sitzt der Mann da, der als Professor die Tübinger Hochschule reformierte und als Stiftspropst die evangelische Landeskirche Württembergs organisierte. Der gemeinsame Grund, in dem beide Männer gründen, kommt darin zur Geltung, daß auch auf seinem Schoß die offene Bibel ruht. Aber ganz anders ist der Gesichtsausdruck. Tiefes Sinnen, Nachdenken dessen, was seinem Meister aufgegangen ist, spricht sich darin und in der ganzen Gestalt aus. Die rechte Hand ist weich gegen das Herz geneigt. Das ruhige Angesicht zeigt treues Durchdenken des großen Gedankens zur Einführung in das Leben. Das ist der Mann, der mit eisernem Fleiß von klein auf die Wahrheit des Glaubens durchgearbeitet hat, der in Heidelberg ganz von Luther hingenommen wurde, der ihm in Marburg mit seinem reichen Wissen zur Seite stand, dem Luther in seinen Briefen unverholen seine Bewunderung gezeigt hat. Vor Luther hat er einen evangelischen Katechismus geschaffen; und die „Schwäbische Urkunde“ wie die Kirchenordnung sind Marksteine seines Wirkens. Die Milde bei aller Festigkeit in den sozialen Stürmen seiner Zeit hat er noch entschiedener vertreten als Luther. So tritt er dem Meister würdig zur Seite.

Die Gestaltung des Denkmals an den zwei Pfeilern hält die beiden Männer fest zusammen, ihre Unterordnung unter den Auferstehenden, den sie, nach der Seite des Tageslebens gewendet, nicht sehen, sondern glauben, stellt sie miteinander in den Dienst des einen Herrn. Und fein deuten die Worte eines jeden, für Luther von Oberkirchenrat Traub, für Brenz von Oberhofprediger Prälat D v. Kolb treffend gewählt, eines jeden Art an. Auf der Rückwand lesen wir hinter Luther sein Wort zur Bibelübersetzung: „Ich habs zu Dienst getan den lieben Christen, und zu Ehren Einem, der droben sitzt. Der mir alle Stund viel Gutes tut. Es ist alles seine Gnade.“ Hinter Brenz aber steht dessen Ausspruch: „Die Liebe und der Fried‘ ist die rechte Losung der Christen, denn der Ursach halben wird Christus ihr Hauptmann, ein Fürst des Friedens genennet.“ Daran schließen sich im Flachrelief zur näheren Betrachtung beziehungsreiche Schildereien: Für Brenz das Alte Schloß und die Stiftskirche, die Heidelberger Disputation, bei der er neunzehnjährig im Jahr 1518 den großen Doktor, der in aller Munde war, erstmals sah, das Wappen Herzog Christophs und Brenz selber das Abendmahl austeilend. Dem entsprechend für Luthers Seite die Wartburg, sein Gang zum Wormser Reichstag, sein Wappen, seine Predigt in Wittenberg nach dem bekannten Bild von der Predella des Cranach-Altars in der dortigen Stadtkirche. An den Schranken vor den Reformatorengestalten deuten die Bilder vom Pflügen, Säen und Ernten auf die Arbeit dieser Männer, von der das Auge immer wieder zurückkehrt zu dem hoheits= und friedevoll aufsteigenden Christusleben, der Seele wie der Reformation so dieses ihres Denkmals.

Wenn das württ. Reformationsdenkmal der evangelischen Gesamtgemeinde Stuttgart übergeben wird, so wird ein Werk vollendet sein, das gerade in unserer schweren Zeit manchem andächtigen Beschauer Trost, Kraft und Frieden ins Herz geben wird. Wohl einem Volk, das in solcher Zeit sich auf die Wurzeln seiner Kraft besinnt! Dank dem begnadeten Künstler, dank den treuen Förderern des Werkes, die es durch manche Schwierigkeiten und Anfechtungen hindurchgeführt haben, dem langjährigen Führer und jetzigen greisen Ehrenvorsitzenden des Ausschusses, D Freiherrn von Gemmingen, seinem sachkundigen und feinfühligen geschäftsführenden Vorsitzenden Prälat D Dr. v. Merz, seinem unermüdlichen Schriftführer Schulrat Dr. Mosapp, seinem treuen Schatzmeister, Geh. Hofrat Pfaff! Wir gedenken aber auch der von uns Geschiedenen: Prälat D v. Weitbrecht, Prälat v. Keeser, Wirkl. Geheimrat Dr. v. Schall.

Alle diese Namen werden nach Jahrzehnten kaum mehr vor dem Denkmal genannt werden. Aber wenn etwa eine junge Konfirmandenschar vom Land dort auf dem Hospitalplatz versammelt ist und eifrig den Erklärungen des Führers lauscht, dann werden die jugendlichen Herzen einen Eindruck mitnehmen, den sie nicht vergessen: Martin Luther, Johannes Brenz, Schwabens Erneuerung aus dem Evangelium, aber alles und in allen Christus.

K. Hoffmann.

*

# Auf den Festtag der Enthüllung des Reformationsdenkmals ist im Verlag für Volkskunst, Rich. Keutel, in Stuttgart, eine Festschrift über das Denkmal von Prälat D. Merz erschienen. Der Vorsitzende des Denkmalausschusses behandelt hier mit berufener Feder die Geschichte des Denkmalgedankens und die Brüllmannsche Ausführung. Abgedruckt ist darin auch die Weiherede des Verf. Und ein Epilog nach der Aufstellung des Denkmals. Von diesem selbst sind in 4 Abbildungen dem Leser die Hauptteile in der Gestalt vor Augen geführt, wie sie das Atelier des Künstlers verlassen haben, noch vor der letzten vollendenden Handanlegung im freien Lichte des Standorts.

Schwäbische Kronik, des Schwäbischen Merkurs zweite Abteilung - Samstag 23. Juni 1917. Abendblatt.

23.06.1917 Vorberichte Stuttgarter Neues Tagblatt

23.06.1917

Aus der Landeshauptstadt.

Stuttgart, 23. Juni 1917.

# Weihefeier des Reformationsdenkmals. Am morgigen Sonntagvormittag findet in Stuttgart die feierliche Einweihung des württembergischen Reformationsdenkmals statt, das bekanntlich an der Hospitalkirche zwischen Hauptportal und Turm seine Aufstellung erhält. Nach der Festordnung besteht die Weihefeier in einem Festgottesdienst in der Hospitalkirche und in einer daran sich anschließenden Feier am Denkmal, bei welcher nach dem Gesang des Lutherliedes durch den Stuttgarter Liederkranz der geschäftsführende Vorsitzende des Denkmalausschusses, Prälat D. von Merz, die Weiherede hält, worauf Stadtdekan Oberkirchenrat Traub das Denkmal namens der evangelischen Gesamtkirchengemeinde übernimmt. Beim Festgottesdienst in der Hospitalkirche bringt der württ. Bachverein unter Mitwirkung bewährter Solokräfte die Bach=Kantate „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“ zur Aufführung, und am Sonntagnachmittag veranstaltet der Verein für klassische Kirchenmusik unter Mitwirkung des Lehrergesangvereins in der Stiftskirche eine Festaufführung des Paulus=Oratoriums von Mendelssohn=Bartholdy. Das Denkmal ist, wie unsere Leser wissen, von dem Bildhauer Jakob Brüllmann in Crailsheimer Muschelkalk ausgeführt. – Zu der Weihefeier ist im Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart, eine zu allgemeiner Verbreitung bestimmte kleine Festschrift erschienen: „Das württembergische Reformationsdenkmal Jakob Brüllmanns in Stuttgart. Von Prälat D. Merz, Vorsitzender des Denkmalausschusses. Mit einem Beitrag von Dr. phil. Theodor Haering.“ Das Heft gibt in 5 Abbildungen das Denkmal in Gesamtansicht und in seinen Hauptgruppen wieder. Entstehung, Gestaltung und Gehalt des Denkmals bespricht in feinsinnigen Ausführungen Prälat D. v. Merz. Ein Gedicht von Theodor Haering ist vorangestellt.

Stuttgarter Neues Tagblatt. Morgen=Ausgabe - 23.06.1917

Aus der Landeshauptstadt.

Stuttgart, 23. Juni 1917.

Das württ. Reformations=Denkmal

Wenn morgen bei der Einweihungsfeier von dem württembergischen Reformationsdenkmal an der Hospitalkirche die Hülle fällt, dann wird man an dem Gesamteindruck, an dem Zusammenwirken von Architektur und Denkmal feststellen können, wie weit Jakob Brüllmanns Werk die hohen Erwartungen erfüllt, die man von diesem Denkmal hat. Nach dem Modell, das der Künstler in seinem Atelier aufgebaut hat, in Originalgröße und mit sinnfälliger Andeutung des architektonischen Hintergrundes, darf man schon heute sagen, daß es sich bei Brüllmanns Werk um die künstlerisch eigenartige und innerlich bedeutende, im ganzen sehr glückliche Lösung und Bewältigung eines überaus schwierigen Problems handelt. Vielleicht ist es gut, sich einmal von diesen Schwierigkeiten Rechenschaft zu geben. Sie sind zweierlei Art. Sie liegen einmal in der Lösung der plastisch=architektonischen Aufgabe, die, einer schönen und trefflichen Anregung folgend, die organische Verbindung der Denkmalsplastik mit der Architektur der Hospitalkirche forderte und so ein starkes Stilgefühl und einen künstlerisch intelligenten und einheitlichen Stilwillen zur Voraussetzung hatte. Nicht geringer aber waren die Schwierigkeiten, die in der inneren Bedeutung des Vorwurfes, in der Symbolkraft seines geschichtlich=religiösen Ausdrucks gegeben waren. Man kann ein Reformationsdenkmal, das zur vierten Jahrhundertfeier der Reformation errichtet werden soll, offenbar sehr verschieden auffassen. Man kann es, um hier nur das Entscheidende zu nennen, auffassen als den Ausdruck eines innersten Bekenntnisses, als das Symbol einer religiös=seelischen Bewegung, und man kann in der künstlerischen Gestaltung das Dramatische und die Leidenschaft des Kampfes betonen. Es handelt sich also darum, ob man ein Reformationsdenkmal mehr als Bekenntnis, als Symbolisierung der seelischen Kräfte und Wesensinhalte der Reformation auffassen will, oder als Kundgebung. Und manche würden wohl auch eine Fanfare daraus machen. Jakob Brüllmann hat sich durchaus für den Ausdruck des Bekenntnisses entschieden. Und er hat sehr gut daran getan. Denn so wichtig, wertvoll und notwendig für unsere Zeit und für unsere Zukunft jede Kraft und Treue des Bekenntnisses ist, so übel angebracht wäre alles, was an konfessionellen Kampf und Hader erinnern könnte. Hier brauchen wir Versöhnlichkeit und Toleranz im schönsten und höchsten Sinn. Jetzt mehr denn je.

So ist Jakob Brüllmann in der Idee, ein Reformationsdenkmal des Bekenntnisse, einen plastischen Ausdruck der seelischen Erhebung zu schaffen, ein Werk gelungen, in dem etwas von den Gefühlskräften zu leben scheint, die von der Reformation ausgingen, und die in den Gestalten von Luther und Brenz zugleich von der starken und zwingenden Macht der Persönlichkeit spricht, ohne die eine Reformation nicht zu denken ist.

Ganz schlicht und einfach drückt Brüllmann das aus und ganz ohne das rhetorische Pathos, das Dutzendkünstlern immer zur Verfügung steht, wenn sie einen bedeutenden geschichtlichen Vorgang künstlerisch gestalten wollen, ohne selbst von dessen innerer Bedeutung erfüllt zu sein.

Die Grundidee, von der Brüllmann geleitet wurde, ist der Auferstehungsgedanke. Sowohl in seiner besonderen, religiösen Ausprägung, als der Auferstehung Christi, wie in seiner symbolisch=menschlichen und =kulturellen Bedeutung als der Auferweckung und Neuwerdung des Menschen und der Herankunft einer neuen geschichtlichen Epoche. So wird das Symbol der Auferstehung zugleich als der wesentliche und entscheidende Ausdruck des Reformationsgedankens gefaßt und gestaltet.

Das Denkmal sollte organisch mit der Architektur der Hospitalkirche verbunden werden. Dieses Problem hat eine ausgezeichnete Lösung gefunden, indem das Denkmal in den Raum eingebaut wurde, der durch die beiden Pfeiler zwischen dem Brautportal und dem Treppeneingang und Turm begrenzt wird. Damit ist die engere architektonische Umwelt des Denkmals geschaffen. Die beiden wuchtigen Pfeiler bilden zugleich den wie selbstverständlich gegebenen Hintergrund für die Gestalten Luthers und Brenz‘, und das Ganze wird dann von einer Steinbrüstung nach vorne umfriedet und abgeschlossen. Treten die beiden Gestalten der Reformatoren so kraftvoll hervor, so ist die Symbolisierung des Auferstehungsgedankens, der auferstehende Christus, mehr in das gedämpfte Licht des Raumes zwischen den beiden Pfeilern gestellt, und schon dadurch von einer gewissen aufdringlichen Nähe und Deutlichkeit ferner gerückt. Aber auch in der künstlerischen Gestaltung hat Brüllmann die irdische und die himmlische Welt, das Reich der Lebensnähe und das Reich des Symbols streng geschieden. Während die Gestalten der beiden Reformatoren realistischer (aber ohne naturalistisch zu sein) aufgefaßt sind, ist die Gestalt des auferstehenden Christus streng stilisiert. Vergeistigt, über das Individuelle hinausgehoben, ferne gerückt auch durch die Auffassung, die mehr ein Vision geben will als die Realität einer Menschengestalt. Christus erhebt sich über dem Sarkophag, der plastisch vor allem die Funktion des Postamentes hat und auf der Vorderwand eine Reliefdarstellung der Grablegung, sehr fein in ihrem horizontal gestreckten Bewegungsrhythmus trägt.

Auch die Gestalt Christi ist mehr als Relief wie als Rundplastik behandelt. Dabei ist durch die nach oben strebenden Diagonalbetonungen der Gewandung etwas Schwebendes in die Gestalt gebracht. Sehr wirkungsvoll steht dazu die Fahne, die Christus hält und die mit ihrer starken Horizontalbetonung dem Ganzen plastischen Halt und Festigkeit gibt. Der Sarkophag selbst ruht auf zwei zweigesteilten Sockelquadern, die an der Stirnseite Reliefstilisierungen der (aus der Vision des Ezechiel und der Apokalypse entnommen) Evangelistenzeichen tragen: geflügelter Mensch, Löwe, Opferrind und Adler für Mattheus, Markus, Lukas und Johannes. Diese Sockel leiten über zum Grundpostament, einem an den oberen Ecken eingebuchteten Quader mit der Aufschrift: Ich bin die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Der von der Kirchenwand gebildete Hintergrund trägt eine Reihe von ganz flach behandelten Reliefdarstellungen, die an die Reformationszeit erinnern. Die Wartburg, Begegnung Luthers mit Frundsberg in Worms, Brenz teilt das Abendmahl aus, Luther predigend, Aussprüche von Luther und Brenz, verschiedene Wappenzeichen u. a. Auch die nach vorne abschließende Steinbrüstung erinnert in zwei symbolischen Reliefs mit Darstellungen des Pflügens und Säens an die Reformation und ihre Aufgaben.

Noch ein Wort über die Gestalten Luthers und Brenz‘. Es wurde schon gesagt, daß sie realistischer aufgefaßt und behandelt sind als die übrige Denkmalsplastik. Man könnte sie vielleicht im Interesse des einheitlichen Gesamtausdruckes noch etwas strenger und größer stilisiert wünschen. Aber es ist Brüllmann immerhin und nicht zum wenigsten durch die kluge und feine architektonische Anordnung, gelungen, hier realistischer ohne deutlichen Stilbruch zu sein. Und man muß auch bedenken, daß gerade in diesen Gestalten das Volk etwas greifbar Lebendiges sehen will. Der Ausdruck der beiden Reformatoren ist sehr fein. Und er wird gehoben durch den inneren Gegensatz, in dem beide charakterisiert sind. Luther, sitzend, die aufgeschlagene Bibel auf dem Schoß, das mächtige, kraftvolle Haupt leicht erhoben, den Mund, wie nach einem Wort ringend, etwas geöffnet, die rechte Hand hebt sich, als wollte sie diesem Wort Nachdruck verleihen: ganz Aktivität. Ganz Wille und Tatkaft. Brenz, ebenfalls sitzend, mit der Bibel auf dem Schoß, aber mit dem über das Buch geneigten Haupt mehr der Empfangende, der fromm Hingebende, der Passivere, der ganz in die Welt des Buches eingeschlossen scheint. Die beiden Gestalten werden ihre Wirkung nicht verfehlen. Sie sprechen eine schöne und große Sprache vom Wesen der deutschen Reformation, die in Jakob Brüllmanns Denkmal einen eigenartig fesselnden Ausdruck gefunden hat.

D.

Stuttgarter Neues Tagblatt. Abend=Ausgabe

24.06.1917

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt

Das württ. Reformationsdenkmal.

Am 24. Juni wird in Stuttgart das württ. Reformationsdenkmal enthüllt. Der Gedanke eines solchen führt bis ins Ende des vorigen Jahrh. zurück. Greifbare Gestalt gewann er infolge der Borromäusenzyklika Papst Pius X. vom Mai 1910: da hier die Reformatoren „Feinde des Kreuzes Christi“ genannt worden, schien es dem württ. evang. Volk Ehrensache, durch ein für Jahrhunderte erbautes Denkmal zum Ausdruck zu bringen, was die wahre Stellung der Reformatoren zum Christenglauben war und daß das evang. Württemberg nach 4 Jahrhunderten noch ebenso fest und treu wie einst zum Glauben der Reformation steht. Von Anfang an war das Reformationsgedenkjahr für die Denkmalsweihe in Aussicht genommen und der Weltkrieg mit all seinen Nöten und Sorgen konnte nicht davon abschrecken, das Denkmal jetzt seiner Bestimmung zu übergeben; vielmehr gerade im Weltkrieg scheint es doppelt nötig, hinzuweisen auf das reformatorische Gottvertrauen, das sich in dem zum religiösen Volkslied gewordenen Sang ausdrückt: Ein‘ feste Burg ist unser Gott!

Der Künstler, Jakob Brüllmann, dem im Wettbewerb 1911 der Denkmalsauftrag zufiel, legt seinem Werk nicht den Kreuzes-, sondern den Auferstehungsgedanken zugrunde. Damit will er nicht bloß auf 1. Kor. 15 hinweisen, jenes Kapitel, das grade der Auferstehung grundlegende Bedeutung für den ganzen Christenglauben beimißt, sondern er will überhaupt auf den lebendigen Christus hinweisen, der in Luthers eigenem Glaubensleben und Wirken eine so große Rolle gespielt hat, und mit dessen siegreichem Durchbruch nach der Grabesnacht des Mittelalters die Reformation zu vergleichen ein naheliegender, schöner Gedanke ist.

So beherrscht denn das Denkmal die Machtgestalt des auferstandenen Christus, wie er, die mit Kelch und Lamm gezierte Fahne in der Rechten, dem Steinsarg entsteigt. Dieser, mit dem Bild der Grablegung geschmückt, ruht auf den alten Sinnbildern der Evangelisten, Mensch, Löwe, Stier, Adler; sein Sockel trägt die Worte, die dem Künstler als Leitgedanke seiner ganzen Arbeit vorschwebten: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Auf zwei den Strebepfeilern der Hospitalkirche vorgelagerten Sockeln sitzen zu Füßen Christi die Reformatoren Martin Luther und Johannes Brenz; ersterer mit kühn erhobenem Antlitz ins Weite schauend, letzterer in ernstem Nachdenken über das Bibelbuch gebeugt, eine vortreffliche Kennzeichnung der Eigenart beider Männer.

Die Vorderschranken veranschaulichen in halberhabenen Bildern das Pflügen, Pflanzen und Ernten der Reformation; die Rückwand ist belebt mit Darstellungen wie: Wartburg, Luthers Gang auf den Wormser Reichstag, sein Wappen, seine Predigt in der Wittenberger Stadtkirche; die Heidelberger Disputation von 1518, auf der Brenz Luther erstmals sah und hörte, das Wappen Herzog Christophs, die Austeilung des Abendmahls, altes Schloß und Stiftskirche; dazu je ein kerniges Wort von beiden Reformatoren. Die Pfeilerwände sind mit den Wappen evang. Reichsstädte und den Namen reformatorischer Männer aus Schwaben geschmückt.

Und wenn nun am Geburtstag von Brenz, am Tag vor dem Gedächtnistag der Übergabe des Augsburgischen Glaubens-Bekenntnisses Württembergs Volk vom Landesherrn bis hinein in die breitesten Schichten sich der Errichtung dieses Denkmals mitten im Weltkriege freut, so stehe es an einem durch die Geschichte geweihten Platz als ein dauerndes Zeugnis von der Unverwüstlichkeit und Unüberwindlichkeit evangelischen Christentums, das gegründet ist auf die Bibelworte: „Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten und der Erstling worden unter denen, die da schlafen.“

H. M.

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt 24.06.1917 - S. 203+204

Stuttgarter Neues Tagblatt.

Aus der Landeshauptstadt.

Stuttgart, 24. Juni 1917.

Vor Brüllmann‘s Reformations=Denkmal.

Die Umrahmung.

Die Tagesarbeit stählt der Menschen Sinne,
Am Pflug, am Werktisch härtet sich die Kraft;
Durch Uebung wird zur Lust, was beim Beginne
Den Neuling hat verdrossen und erschlafft. –

Zum Schritt des Sämanns tönt, ihm zum Gewinne,
Bald Liederklang, der Seelenfreiheit schafft;
Und reif wird Kopf und Herz, zu höhern Dingen
In Feierstunden sich emporzuschwingen.

Die beiden Reformatoren.

Das Höchste bis zum Ende durchzudenken,
Geh’n unsre Besten ihren Dornenpfad,
Ihr Volk zur reinen Wahrheit hinzulenken,
Daß es sie übe in Gemeind‘ und Staat,

Zur Freiheit Pflichtgefühl ins Herz ihm senken
Und Willen zu der selbstlos edlen Tat:
Dazu will sanft Johannes Brenz uns weisen
Und Martin Luther kühn uns mit sich reißen.

Die Auffahrt.

Wenn Fürst und Volk im Kampfe treu zusammen
Als Führer und Geführte einig geh’n;
Wenn Wort und Taten einem Quell entstammen,
Wenn aus Vertrau’n wir Liebe keimen seh’n;

Wenn aus des grausen Völkerbrandes Flammen
Ein Ziel, das Wohl des Ganzen, wird ersteh’n,
Dann hat, der Selbstsucht enger Gruft entwunden,
Sein herrlich‘ Urständ deutscher Geist gefunden.

Otto Schairer.

Stuttgarter Neues Tagblatt. Morgen=Ausgabe - 24.06.1917

24.06.1917 Festprogramm (4 Seiten)

24.06.1917 Predigten Stadtpfarrer Gauger

Predigten (gedrucktes Heftchen 8 Doppelseiten) bei den Gottesdiensten zur Weihe des württembergischen Reformationsdenkmals zum Download

25.06.1917 Schwäbische Kronik

Württemberg.

Stuttgart, Montag 25. Juni.

Einweihung des württ. Reformationsdenkmals

In Stuttgart.

* Stuttgart 25. Juni. Am gestrigen Sonntag, dem Tag, an dem sich der Geburtstag des schwäbischen Reformators Johannes Brenz zum 418. mal jährte, fand in Stuttgart die feierliche Einweihung des württembergischen Reformationsdenkmals statt. An der Spitze einer großen Festversammlung aus der Stadt und dem Lande hatte sich der König und die Königin, Prinzessin Max zu Schaumburg=Lippe mit Sohn und die Kgl. Hofstaaten zu der denkwürdigen Feier eingefunden, über der sich nach den gewitterschwülen Vortagen ein strahlend blauer Himmel spannte.

Unter den Festgästen befanden sich ferner alle Staatsminister, der preuß. Gesandte Wikl, Geh.Rat Frhr. v. Seckendorff, der stellv. Komm. General v. Schäfer mit dem Chef des stellv. Generalstabs, Gen. Maj. v. Stroebel, die Staatsräte v. Cronmüller, v. Kern und v. Mosthaf, der Vizepräsident der 1. Kammer, Staatsrat v. Buhl, mit verschiedenen Mitgliedern der Kammer, ebenso der Präsident der 2. Kammer v. Kraut, mit einer Reihe von Abgeordneten, Konsist.Präs. v. Zeller, die Mehrzahl der evang. Prälaten und Generalsuperintendenten, darunter auch Feldprobst v. Blum, Stadtdirektor Reg.Direktor v. Richel, Oberbürgermeister Lautenschlager und Bürgerausschuß=Obmann Dr. Wölz mit einer Anzahl von Mitgliedern der bürgerl. Kollegien, eine Reihe Stadtvorstände aus dem Lande, der Rektor der Universität Tübingen, Prof. Dr. Artur Schmidt, der Kanzler der Universität, Staatsrat Dr. v. Rümelin, und verschiedene Professoren der Universität, der Techn. Hochschule und der Akademie der bildenden Künste, zahlreiche hohe Beamte aus allen Departements, Schulvorstände, Geistliche, Vertreter von Handel und Industrie. – Der Ehrenvorsitzende des Denkmalausschusses, Prof. D. Frhr. v. Gemmingen mußte es sich zu allgemeinem Bedauern bei seinem hohen Alter versagen, der Feier anzuwohnen.

Die Feier nahm ihren Anfang mit einem Festgottesdienst in der Hospitalkirche. Nach dem Gesang der Gemeinde, die den Raum der ehrwürdigen Reformationskirche bis zum letzten Platz füllte und dem Gebet des Geistlichen kam die Kantate: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort von J. S. Bach zur Aufführung. Das aus dem Geist der Reformation geschöpfte Werk des großen Meisters, das an diesem Tag zum erstenmal in Württemberg durch den Württ. Bachverein zu Gehör gebracht wurde, eignete sich hervorragend für eine Festfeier zum Gedächtnis an die unvergänglichen Segnungen der deutschen Reformation und fand unter Leitung von Organist Kimmerle eine in allen Teilen wohlgelungene Wiedergabe. Eine tiefe Wirkung ging aus von den durch den verstärkten Hospitalkirchenchor mit Begleitung der Garnisonmusik unter Leitung des Kgl. Musikdirektors Stotz prächtig ausgeführten, weihevollen Chören, während die Solisten Kgl. Kammersängerin Meta Diestel, Konzertsänger H. Ackermann, Prof. L. Feuerlein in den zu Herzen dringenden Rezitativen und Arien ihr Bestes gaben. Die Festpredigt, die Stadtpfarrer Gauger hielt, wußte in anfassenden Ausführungen dem Ausdruck zu geben, was die feiernde evangelische Gemeinde der Gegenwart in dankbarem Gedenken an das große Erbe der Vergangenheit und in hoffnungsstarkem Ausblick in die Zukunft bewegt. Im Anschluß an das Textwort Hebräer 13, 7: „Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben“, führte der Redner aus:

Auch in einer Zeit, die alle Kräfte und Gedanken so in Anspruch nimmt wie die gegenwärtige, müssen wir Zeit haben, der Reformation und der Reformatoren zu gedenken. Das Denkmal ist ein Bekenntnis unseres Geschlechtes: wir gedenken an jene Männer. Heiß hat Luther um das Wort Gottes gerungen; zu felsenfester Gewißheit ist er durchgedrungen. In ungemeiner Weise hat er diesem Wort denn gedient als Universitätsprofessor, als Prediger und Seelsorger, als Bibelübersetzer und Organisator der Kirchen, als Dichter und Sänger. Von seiner Verkündigung ist ein neues helles Licht gefallen auf die Berufsarbeit, aufs Familienleben, auf die Bildung des Menschen zur Persönlichkeit. In diesem Kriege sind wir Luther dankbar geworden wie fast noch nie: für seine Bibelübersetzung, für das Lutherlied. Württemberg hat von der Reformation einen besonders reichen Segen gehabt die Jahrhunderte hindurch. Das Denkmal ist zugleich unsere Bitte an die Nachkommen: Gedenket jener Männer! Ein Volk lebt nicht von seiner Gegenwart, sondern von seiner Zukunft. Wir glauben an eine große Zukunft des deutschen Volkes. Soll diese kommen, so müssen wir im Sinne der Reformatoren weiterarbeiten. Wir müssen ernste Gewissenhaftigkeit pflegen, wie unsere Reformatoren Männer des Gewissens gewesen sind. Sie haben den Weg zum versöhnten Gewissen gezeigt; das versöhnte Gewissen aber ist das lebendige Gewissen. Wir brauchen für unsere Zukunft auch opferwillige Liebe; die haben unsere Reformatoren in ergreifender Weise betätigt. Der Prediger schloß mit dem Wahlspruch Herzog Ulrichs: „Gottes Wort bleibet in Ewigkeit.“

Die Denkmalweihe.

Während des Orgelnachspiels stellten sich die Gäste in weitem Halbkreis um das Denkmal auf, das sich nunmehr unverhüllt in seiner machtvollen Geschlossenheit und Schönheit dem Beschauer zeigte. Das Königspaar und die Gäste der Hofgesellschaft hatten ihren Platz gegenüber dem Denkmal eingenommen. Die Umgebung bot im schönen Schmuck der Fahnen und Girlanden ein festliches Bild, die Nachbarhäuser und die zuführenden Straßen trugen Flaggenschmuck. Einen schönen Anblick boten die Schaufenster von Geigenbauer Gärtner mit einer reichhaltigen, geschmackvollen Ausstellung älterer und neuerer Lutherbilder. Die Feier begann mit den vom Stuttgarter Liederkranz machtvoll gesungenen zwei ersten Versen von: „Ein feste Burg“. Hierauf trat Prälat D. Dr. v. Merz, der geschäftsführende Vorsitzende des Denkmalsausschusses in den Kreis, um mit fein charakterisierenden Worten die Weihe des Denkmals zu vollziehen.

„Wenn wir der Reformation gedenken, so suchen wir deine Seele, o Luther! Dein Löwenmut und dein Kindesgemüt sind heute mit deinem Volk in seinem Daseinskampf. Du bist der Prophet der Deutschen geworden, weil du dich wie ein lernbegieriges Kind zu den Füßen dessen gesetzt hast, der der Meister aller Meister ist. Er hat dir sein Wort auf die Lippen gelegt, das bis heute die deutsche Seele durchbraust wie Sturmeslaut und Glockenton.

Und du, Johannes Brenz, Reformator Württembergs! Das Andenken deines herzoglichen Herrn und dein eigenes ist unter uns in Ehren und Treuen lebendig. Dort in Heidelberg 1518 während deiner akademischen Zeit hat Luthers Wort in dir gezündet. Er wurde dir, dem sechzehn Jahre jüngeren, Führer. Aber aus eigenem bist du Lehrer und Organisator, wie keiner sonst, in der süddeutschen Kirche geworden. Du gehörst dem Schwaben= wie dem Frankenland zu, dem Kreis der Reichsstädte wie dem fürstlichen Gebiet von Württemberg, das eben damals unter Herzog Christoph sich anschickte, das Herz des protestantischen Südens zu werden. Wir feiern heute deinen Geburtstag: in allweg werde neu unter uns geboren dein ehrenfester Biedersinn, deine männliche Klugheit, deine Furchtlosigkeit und Treue!

Luther und Brenz! Euer Glaubensauge schaute im Streit und Kampf eurer Zeit den Siegesfürsten, der über Grab und Tod triumphiert. Mit der ganzen Christenheit bekennt sich die Kirche der Reformation zu Christi Kreuz und zeugt von seiner Auferstehung, durch die sie lebt, am hellsten in den dunkelsten Zeiten ihrer Geschichte, in Wort und Lied und in stählerner, ausharrender Geduld. In den Nöten und Wirrnissen der Gegenwart, da Treu und Glauben ausgelöscht scheinen und Haß und Arglist mit Blut die Erde füllen, bleibt es dabei wie vor 400, wie vor 1800 Jahren: Er ist der Weg, er ist die Wahrheit und das Leben. Wir stehen zum Glauben unserer Väter: indem wir dieses Denkmal aufrichten, schreiben wir an die Kirchenwand, wie Luther an die Wand seiner Stube auf der Koburg: Vivit. Er lebt!

Friedliche Arbeit, wie sie der Umbau des Denkmals zeigt, ein Ackern und Pflanzen in Kirche und Schule bedeutet die Reformation für unser Land. Nach friedlicher Arbeit sehnen wir uns, friedliche Arbeit treiben wir mit dem Gedächtnis der Reformation: wir stehen zum Werk unserer Väter; er wirke weiter an uns und unserem Volk, in der deutschen Heimat und, wills Gott, im Frieden auch wieder in der weiten Welt!

Innigen Dank Ihnen, Herr Brüllmann, daß Sie uns dieses Denkmal geschaffen haben. Sie haben gestaltet, was viele im Innersten bewegt, das Vergangene spricht hier lebendig zur Gegenwart, was über alle Zeit ist, zu dem empfänglichen Sinn. Von Herzen kommend Dank allen, die dieses Werk durch Wort und Tat gefördert, voran dem König und der Königin, die die Arbeit mit ihrer Teilnahme begleitet und unterstützt und heute das Fest mit ihrer Gegenwart gekrönt haben;

all den Gebern in Stadt und Land, von denen so viele heute nicht mehr unter uns weilen, den Sammlern, den Geistlichen und dem Kirchengemeinderat dieser Kirche, dem württ. Bachverein und dem Stuttgarter Liederkranz, wie dem Verein für klassische Kirchenmusik für ihre Mitwirkung bei dem Fest, den sachverständigen Gutachtern, der Bauleitung, den Gehilfen, den Handwerksmeistern; endlich, nicht zuletzt, der Stadtgemeinde Stuttgart und insbesondere der evang. Gesamtkirchengemeinde Stuttgart; ohne beider Entgegenkommen wäre die Errichtung des Denkmals nicht möglich gewesen. Wir vom geschäftsführenden Ausschuß gedenken unseres langjährigen und nunmehr Ehrenvorsitzenden Präsidenten Freiherrn von Gemmingen, der altershalber nicht anwohnen konnte. Sein Name wird mit der Arbeit am Denkmal verbunden sein.

Im Namen des Denkmalausschusses übergebe ich Ihnen, Herr Oberkirchenrat, als Vertreter der evang. Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, dieses Denkmal zu treuer Pflege und, wie wir hoffen, zu segensreicher Erinnerung an die Vierhundertjahrfeier der Reformation! Das walte Gott.“

Mit markigen Worten übernahm hierauf Oberkirchenrat Stadtdekan Traub das Denkmal in das Eigentum der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart. Er führte folgendes aus:

Im Namen der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart übernehme ich das Denkmal. Die Gemeinde dankt dem Denkmalausschuß, dem Künstler und den Spendern aufrichtig dafür, daß Stuttgart nun auch sein Reformationsdenkmal hat. Sie gedenkt der Reformation als größten, segensreichsten Fortschritt, der zugleich Rückkehr zur ewigen Quelle ist, zu dem „aus Gnaden allein durch den Glauben“, dem tiefsten Beruhigungsgrund und stärksten Beweggrund. Das Denkmal mahnt die evangelische Gemeinde, zu halten, was sie hat, protestantisches Nein und evangelisches Ja. Frei wollen wir sein in Glaubenssachen, unbezwungen von Papstmacht und Jesuitenlist. Frei, weil im Gewissen gebunden an Gottes Wort und damit geschieden vom Unglauben und der Schwarmgeisterei ungesunder Frömmigkeit. „Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand.“ In solcher Freiheit von Menschen und Gottesgebundenheit tun wir mutig und getrost unsere Arbeit in der Welt, in Haus und Beruf, Vaterland und Staat, Kunst und Wissenschaft, dem Nächsten zu Dienst, wie uns die Reformation lehrt: „Gut Werk ist, was dem Nächsten nützt.“ In schwerer großer Gegenwart gedenken wir schwerer großer Vergangenheit und stärken uns zu evangelischer Treue für schwere große Zukunft, so wenig wie unsere Väter auf uns selbst bauend, sondern auf den, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft planvoll und zielsicher eins sind, den menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn, unsern einigen Mittler und Fürsprecher, den einigen Gesundmacher der Seelen und König des Reichs. Der evangelischen Gemeinde, ja allen guten Christen hüben und drüben spreche das Denkmal zu mit Luthers „geistlichem Lied auf die Weihnachten“:

Laßt zürnen Teufel und die Höll:
Gott’s Sohn ist worden eur Gsell!
Er will und kann euch lassen nicht,
Setzt ihr auf ihn eur Zuversicht.
Es mögen euch viel fechten an:
Dem sei Trotz, der’s nicht lassen kann.
Zuletzt müßt ihr doch haben recht,
Ihr seid nun worden Gott’s Geschlecht,
Deß danket Gott in Ewigkeit,
Geduldig, fröhlich alle Zeit. –

Damit erklärt der Redner das Denkmal für Eigentum der Evang. Gesamtkirchengemeinde Stuttgart.

Der gemeinsame Gesang des dritten Verses des Lutherliedes machte den Beschluß der eindrucksvollen Feier. Nachdem die letzten Töne verklungen waren, trat das Königspaar zu eingehender Besichtigung des Denkmals unter Führung von Prälat D. Dr. v. Merz vor das Denkmal und zog den Schöpfer des Werkes J. Brüllmann, dem der König persönlich eine Auszeichnung überreichte, längere Zeit ins Gespräch. König und Königin, die auch zahlreiche sonstige Anwesende ins Gespräch zogen, äußerten sich sehr erfreut über das Werk und die Wahl des Denkmalplatzes. Die in aller Schlichtheit eindrucksvolle Feier gab ein würdiges Zeugnis davon, wie die evangelische Gemeinde in der harten Zeit der Gegenwart mit unverbrüchlicher Treue zu den Vätern der Reformation aufblickt und gestärkt durch ihren Geist und Heldenmut der Zukunft voll Zuversicht entgegensieht. Das Denkmal selbst wird noch in spätesten Zeiten von dieser Vierjahrhundertfeier zeugen, die im dritten Jahr des entsetzlichen Krieges mitten im Frieden der Heimat ohne jede Störung begangen werden konnte.

*

Aufführung des Paulus=Oratoriums in der Stiftskirche.

R.I.H. Mit der Aufführung von Mendelssohns Paulus in der Stiftskirche hat der Verein für klassische Kirchenmusik den festlichen Veranstaltungen zur Weihe des Württembergischen Reformationsdenkmals einen schönen und wertvollen Teil eingefügt. Paulus ist der Mann Luthers gewesen. Aus seinem Römer= und Galatherbrief hat Luther sein eigenes Glaubensleben geschöpft und auf der Rechtfertigung durch den Glauben, wie sie Paulus erlebt und gelehrt hat, seine evangelische Glaubenslehre aufgebaut. So ergaben sich für die Zuhörer, welche als Teilnehmer der Weihefeier in den Nachmittagsstunden die Stiftskirche füllten, aus den Worten und Tönen des Oratoriums die unmittelbarsten und tiefsten Beziehungen auf das Leben und Werk eines Luther und Brenz und auf die eigene Zugehörigkeit zur Kirche der Reformation. Was die große Paulusarie mit Psalmworten sagt von der Tiefe der Buße, von dem Verlangen nach der vergebenden Gnade, von der Bereitschaft, den Ruhm des Gottes aller Gnade zu verkündigen, das empfand man wie ein Zeugnis und Bekenntnis aus dem Mund und Herzen unserer Reformatoren. Und so sah und fühlte man von allem, von der Freudigkeit zu reden, sein Wort von der Treue bis in den Tod, das schöne Widerspiel in der deutschen Reformation, der ja auch das Märtyrertum nicht erspart geblieben ist, das nie ergreifender und versöhnender in der Musik wiedergegeben worden ist, als in der Schilderung des Tods des Stefanus und im Choral der glaubenstreuen und glaubensinnigen Gemeinde. In diesen Festtag hineingestellt übte diesmal Mendelssohns Paulus eine eigene große und starke, man kann vielleicht sagen seine volle Wirkung aus. Dem Verein für klassische Kirchenmusik, seinem Leiter Hofkapellmeister Band, seinem auch diesmal wieder durch den Lehrergesangverein verstärkten Chor, seinem Orgelmeister Prof. Lang und den bewährten Kräften der Kgl. Hofkapelle mit dem Solocellisten Saal der Dank aller Zuhörer und des Denkmalausschusses. Ganz besonderer Dank gebührt dem Vertreter der Titelpartie Hofopernsänger Felix Fleischer, der wiederum wie in den Aufführungen des letzten Winters den Paulus mit so tiefer Erfassung seines Wesens, mit so viel Wärme und Kraft gesungen hat, daß das Bild des großen Apostels so recht lebendig vor die Seele gestellt wurde. Auch die anderen Solisten, die Kammersängerin Frau Band=Agloda (Sopran), die Konzertsängerin Johanna Bueß (Alt) und Hofopernsänger Kühlborn=Darmstadt (Tenor) machten sich um die Festaufführung wohl verdient. Einige starke Kürzungen, die an einem Sommernachmittag ja wohl zu verstehen sind, ließen doch das eine und andere vermissen, das man auch gerne gehört hätte. Doch tat das dem großen und schönen Gesamteindruck keinen Eintrag. Es war eine Festaufführung, würdig der Weihe der württ. Reformationsdenkmals und selbst die schönste künstlerische Weihe für den festlichen Tag der Stuttgarter evangelischen Kirchengemeinde und der württembergischen Landeskirche.

*

Die Jugendfeier in der Hospitalkirche.

# Es war ein glücklicher Gedanke, an den Schluß des Festtages eine großangelegte Jugendfeier zu stellen, die die Teilnahme der Stuttgarter Jugend beider Geschlechter und aller Schulanstalten und Altersstufen für das Denkmal wecken sollte. Im Frieden hätte sich diese Feier, besonders bei dem gestrigen prachtvollen Wetter, am stimmungsvollsten auf dem freien Platz vor dem Denkmal abgespielt; die Kriegslage gebot Verlegung in die Kirche, in der über 2000 Schüler und Schülerinnen sich versammelt hatten. Vortrag von Festgedichten (von K. Hoffmann, H. Mosapp, Fr. Braun, A. Dix) rahmten die Feier ein; in ihrem Mittelpunkt stand eine kraftvolle Ansprache des Schriftführers des Denkmalausschusses, Schulrat Dr. Mosapp, die der Jugend die Geschichte des Denkmals und die Bedeutung seiner einzelnen Figuren und Teile lebendig vor die Seele stellte und sie zu treuem Festhalten an den heiligen Gütern der Reformation mahnte. Der Gesang von „Ein feste Burg“ bekräftigte wie ein starkes Gelöbnis die Gedanken dieser Feier, bei der zum letztenmal vor der Abnahme die Glocken der Hospitalkirche in ihrem Vierklang ertönten.

Schwäbische Kronik, des Schwäbischen Merkurs zweite Abteilung - 25. Juni 1917. Morgenblatt.

25.06.1917 Stuttgarter Neues Tagblatt

Weihefeier des Reformations=Denkmals.

Stuttgart, 25. Juni 1917.

Seit gestern ist das Bild der Landeshauptstadt um ein eigenartiges Denkmal bereichert. Brüllmanns württembergisches Reformationsdenkmals an der Außenwand der Hospitalkirche ist enthüllt und zeigt jetzt im vollen Freilicht des Tages, daß die künstlerische Wirkung nicht hinter den Erwartungen zurückbleibt, die Entwurf und Modell erweckt hatten. Es ist eine architektonisch prachtvoll geschlossene Gruppe mit wuchtig vortretenden Gestalten der Reformatoren, deren lebendige, kraftvolle Plastik in einem fesselnden Gegensatz steht zu der mehr flächig gehaltenen Symbolgestalt des Auferstandenen. Und die graue Farbe des Crailsheimer Muschelkalkes verbindet sich mit der altersgeschwärzten Sandsteinwand der ehrwürdigen Kirche zu einem eindringlichen Gesamteindruck. Man muß nur noch die Gestaltung des ganzen Platzes etwa nach dem Vorschlag, der vor kurzem an dieser Stelle von berufener Stelle gemacht wurde, mit einfachen Mitteln eine leichte Verbesserung erfahren. Dann kann Stuttgart stolz sein auf ein Werk, das nach künstlerischer Formung und geistigem Gehalt gewiß zu den beobachtenswertesten Schöpfungen des Krieges und den reizvollsten Denkmälern der 4. Jahrhundertfeier der Reformation gehört.

Die Weihefeier vollzog sich gestern in Anwesenheit des Königspaares unter außerordentlich starker Beteiligung aller Kreise der Bevölkerung. In leuchtenden Farben hoben sich die Fahnen vom wolkenlosen Himmel ab, die den Platz und die zuführenden Straßen schmückten und in mächtigem Zusammenklang tönten – zum letzten Mal in ihrem vollen Chor – die alten Glocken der Hospitalkirche, als das Königspaar, von Prälat D. v. Merz im Namen des Denkmalausschusses empfangen, die Kirche betrat.

Der Festgottesdienst

wurde durch Gemeindegesang und Gebet des Geistlichen eröffnet. Dann folgte die Kantate: „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ von J. S. Bach zur Aufführung. Das aus dem Geist der Reformationszeit geschöpfte Werk des großen Meisters, das an diesem Tag zum erstenmal in Württemberg durch den Württ. Bachverein zu Gehör gebracht wurde, eignete sich hervorragend für eine Festfeier zum Gedächtnis an die deutsche Reformation mitten im Weltkrieg und fand unter Leitung von Organist Kimmerle eine in allen Teilen wohlgelungene Wiedergabe. Eine tiefe Wirkung ging aus von den durch den verstärkten Hospitalkirchenchor mit Begleitung der Garnisonmusik unter Leitung des Kgl. Musikdirektors Stotz prächtig ausgeführten, weihevollen Chören, während die Solisten, Kgl. Kammersängerin Meta Diestel, Konzertsänger H. Ackermann, Professor L. Feuerlein in den zu Herzen dringenden Rezitativen und Arien ihr Bestes gaben.

Die Festpredigt hielt Stadtpfr. Gauger über Hebräer 13, 7: „Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben“:

Auch in einer Zeit, die alle Kräfte und Gedanken so in Anspruch nimmt wie die gegenwärtige, müssen wir Zeit haben, der Reformation und der Reformatoren zu gedenken. Das Denkmal ist ein Bekenntnis unseres Geschlechtes: wir gedenken an jene Männer. Heiß hat Luther um das Wort Gottes gerungen; zu felsenfester Gewißheit ist er durchgedrungen. In ungemeiner Weise hat er diesem Wort denn gedient als Universitätsprofessor, als Prediger und Seelsorger, als Bibelübersetzer und Organisator der Kirchen, als Dichter und Sänger. Von seiner Verkündigung ist ein neues helles Licht gefallen auf die Berufsarbeit, aufs Familienleben, auf die Bildung des Menschen zur Persönlichkeit. In diesem Kriege sind wir Luther dankbar geworden wie fast noch nie: für seine Bibelübersetzung, für das Lutherlied. Württemberg hat von der Reformation einen besonders reichen Segen gehabt die Jahrhunderte hindurch. Das Denkmal ist zugleich unsere Bitte an die Nachkommen: Gedenket jener Männer! Ein Volk lebt nicht von seiner Gegenwart, sondern von seiner Zukunft. Wir glauben an eine große Zukunft des deutschen Volkes. Soll diese kommen, so müssen wir im Sinne der Reformatoren weiterarbeiten. Wir müssen ernste Gewissenhaftigkeit pflegen, wie unsere Reformatoren Männer des Gewissens gewesen sind. Sie haben den Weg zum versöhnten Gewissen gezeigt; das versöhnte Gewissen aber ist das lebendige Gewissen. Wir brauchen für unsere Zukunft auch opferwillige Liebe; die haben unsere Reformatoren in ergreifender Weise betätigt. Der Prediger schloß mit dem Wahlspruch Herzog Ulrichs: „Gottes Wort bleibet in Ewigkeit.“

Während die mächtigen Weisen der durch ihr Fernwerk bekannten Orgel verklangen, verließen die Gäste die Kirche und stellten sich in weitem Halbkreis

am Denkmal

auf, das inzwischen von seinen Hüllen befreit worden war. Das Königspaar nahm seinen Platz gegenüber dem Denkmal ein. Die Feier begann mit dem vom Liederkranz machtvoll vorgetragene Lutherlied. Dann trat der Vorsitzende des Denkmalausschusses, Prälat Dr. v. Merz in den Kreis zur Weiheansprache:

„Wenn wir der Reformation gedenken, so suchen wir deine Seele, o Luther! Dein Löwenmut und dein Kindesgemüt sind heute mit deinem Volk in seinem Daseinskampf. Du bist der Prophet der Deutschen geworden, weil du dich wie ein lernbegieriges Kind zu den Füßen dessen gesetzt hast, der der Meister aller Meister ist. Er hat dir sein Wort auf die Lippen gelegt, das bis heute die deutsche Seele durchbraust wie Sturmeslaut und Glockenton.

Und du, Johannes Brenz, Reformator Württembergs! Das Andenken deines herzoglichen Herrn und dein eigenes ist unter uns in Ehren und Treuen lebendig. Dort in Heidelberg 1518 während deiner akademischen Zeit hat Luthers Wort in dir gezündet. Er wurde dir, dem sechzehn Jahre jüngeren, Führer. Aber aus eigenem bist du Lehrer und Organisator, wie keiner sonst, in der süddeutschen Kirche geworden. Du gehörst dem Schwaben= wie dem Frankenland zu, dem Kreis der Reichsstädte wie dem fürstlichen Gebiet von Württemberg, das eben damals unter Herzog Christoph sich anschickte, das Herz des protestantischen Südens zu werden. Wir feiern heute deinen Geburtstag: in allweg werde neu unter uns geboren dein ehrenfester Biedersinn, deine männliche Klugheit, deine Furchtlosigkeit und Treue!

Luther und Brenz! Euer Glaubensauge schaute im Streit und Kampf eurer Zeit den Siegesfürsten, der über Grab und Tod triumphiert. Mit der ganzen Christenheit bekennt sich die Kirche der Reformation zu Christi Kreuz und zeugt von seiner Auferstehung, durch die sie lebt, am hellsten in den dunkelsten Zeiten ihrer Geschichte, in Wort und Lied und in stählerner, ausharrender Geduld. In den Nöten und Wirrnissen der Gegenwart, da Treu und Glauben ausgelöscht scheinen und Haß und Arglist mit Blut die Erde füllen, bleibt es dabei wie vor 400, wie vor 1800 Jahren: Er ist der Weg, er ist die Wahrheit und das Leben. Wir stehen zum Glauben unserer Väter: indem wir dieses Denkmal aufrichten, schreiben wir an die Kirchenwand, wie Luther an die Wand seiner Stube auf der Koburg: Vivit. Er lebt!

Friedliche Arbeit, wie sie der Umbau des Denkmals zeigt, ein Ackern und Pflanzen in Kirche und Schule bedeutet die Reformation für unser Land. Nach friedlicher Arbeit sehnen wir uns, friedliche Arbeit treiben wir mit dem Gedächtnis der Reformation: wir stehen zum Werk unserer Väter; er wirke weiter an uns und unserem Volk, in der deutschen Heimat und, wills Gott, im Frieden auch wieder in der weiten Welt!

Dann dankte der Redner noch dem Schöpfer des Denkmals, Bildhauer Brüllmann: er habe gestaltet, was viele im Innersten bewegt, das Vergangene spreche hier lebendig zur Gegenwart, was über alle Zeit ist, zu dem empfänglichen Sinn, - und ebenso allen, die das Werk durch Wort und Tat gefördert, voran dem König und der Königin, die

die Arbeit mit ihrer Teilnahme begleitet und unterstützt und heute das Fest mit ihrer Gegenwart gekrönt haben, und all den Gebern in Stadt und Land, und den Förderern des Werkes, Einzelpersönlichkeiten und Vereinigungen, und übergab darauf im Namen des Denkmalausschusses dem Vertreter der evang. Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, Oberkirchenrat Traub, das Denkmal zu treuer Pflege und zu segensreicher Erinnerung an die Vierjahrhundertfeier der Reformation!

Oberkirchenrat Stadtdekan Traub übernahm das Denkmal in Eigentum der evangel. Gesamtkirchengemeinde Stuttgart. Indem er etwas ausführte:

Die Gemeinde dankt dem Denkmalausschuß, dem Künstler und den Spendern aufrichtig dafür, daß Stuttgart nun auch sein Reformationsdenkmal hat. Sie gedenkt der Reformation als größten, segensreichsten Fortschritt, der zugleich Rückkehr zur ewigen Quelle ist, zu dem „aus Gnaden allein durch den Glauben“, dem tiefsten Beruhigungsgrund und stärksten Beweggrund. Das Denkmal mahnt die evangelische Gemeinde, zu halten, was sie hat, protestantisches Nein und evangelisches Ja. Frei wollen wir sein in Glaubenssachen, unbezwungen von Papstmacht und Jesuitenlist. Frei, weil im Gewissen gebunden an Gottes Wort und damit geschieden vom Unglauben und der Schwarmgeisterei ungesunder Frömmigkeit. „Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand.“ In solcher Freiheit von Menschen und Gottesgebundenheit tun wir mutig und getrost unsere Arbeit in der Welt, in Haus und Beruf, Vaterland und Staat, Kunst und Wissenschaft, dem Nächsten zu Dienst, wie uns die Reformation lehrt: „Gut Werk ist, was dem Nächsten nützt.“

In schwerer großer Gegenwart gedenken wir schwerer großer Vergangenheit und stärken uns zu evangelischer Treue für schwere große Zukunft, so wenig wie unsere Väter auf uns selbst bauend, sondern auf den, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft planvoll und zielsicher eins sind, den menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn, unsern einigen Mittler und Fürsprecher, den einigen Gesundmacher der Seelen und König des Reichs. Der evangelischen Gemeinde, ja allen guten Christen hüben und drüben spreche das Denkmal zu mit Luthers „geistlichem Lied auf die Weihnachten“:

Laßt zürnen Teufel und die Höll:
Gott’s Sohn ist worden eur Gsell!
Er will und kann euch lassen nicht,
Setzt ihr auf ihn eur Zuversicht.
Es mögen euch viel fechten an:
Dem sei Trotz, der’s nicht lassen kann.
Zuletzt müßt ihr doch haben recht,
Ihr seid nun worden Gott’s Geschlecht,
Deß danket Gott in Ewigkeit,
Geduldig, fröhlich alle Zeit. –

Der gemeinsame Gesang des dritten Verses des Lutherliedes machte den Beschluß der eindrucksvollen Feier. Hierauf traten beide Majestäten zu eingehender Besichtigung des Denkmals unter Führung von Prälat D. Dr. v. Merz vor das Denkmal und zogen den Künstler des Werkes, J. Brüllmann, dem der König persönlich eine Auszeichnung überreichte, längere Zeit ins Gespräch. Die Majestäten, die auch zahlreiche sonstige Anwesende ins Gespräch zogen, äußerten sich besonders erfreut über das Werk und die Wahl des Denkmalplatzes.

Von den zahlreichen Teilnehmern an der Feier seien außer dem Königspaar und der Frau Prinzessin Max zu Schaumburg=Lippe mit Prinzen Sohn noch erwähnt die Herren Staatsminister Dr. Freiherr v. Weizsäcker, Dr. v. Schmidlin, v. Marchtaler, Dr. v. Fleischhauer, Dr. v. Habermaas, Dr. v. Pistorius, der K. Preuß. Gesandte Freih. v. Seckendorff, der stellv. Komm. General v. Schäfer, Generaladjutant Frhr. v. Starkloff, Palastdame Gräfin v. Uxkull=Gyllenband, Kabinettschef Geh. Legationsrat Frh. v. Neurath, Generalmaj. v. Ströbel, Generalmaj. v. Ebbinghaus, die wirkl. Staatsräte v. Kern, v. Cronmüller, Staatsrat v. Mosthaf, v. Buhl. Geh. Hofr. Dr. v. Jobst, Präs. v. Kraut, Konsistorialpräs. v. Zeller, Präs. v. Scheurlen, die Prälaten von Stahlecker, Dr. v. Hermann, v. Römer, Dr. Dopffel, Feldprobst Prälat v. Blum, Oberbürgermeister Lautenschlager, Bürgerausschußobmann Dr. Wölz, Rektor der Universität Tübingen, Prof. Dr. jur. Artur Schmidt, Kanzler der Universität v. Rümelin, Professor Dr. v. Häring, Universitätsprofessor D. Dr. Hermelink, zahlreiche Landtagsabgeordnete u. a. Der Ehrenvorsitzende des Ausschusses, Präsident D. Freiherr von Gemmingen konnte, wie Prälat v. Merz in seiner Ansprache bedauernd ausführte, bei seinem hohen Alter der Feier nicht persönlich anwohnen.

*

Es war eine schlichte, würdige Feier, wie das Denkmal selbst, frei von polemischem Anklang, getragen von dem Gedanken, daß die Erinnerung an die schöpferischen Kräfte der Vergangenheit nur dann ein Segen für die Zukunft ist, wenn sie verbindet, statt zu zerreißen, vorwärts führt zu gemeinsamen Menschheitszielen, statt in alten Schranken zu halten.

Fest=Aufführung in der Stiftskirche.

Auch der Verein für klassische Kirchenmusik stellte sich mit einer großen künstlerischen Gabe in die Reihe der froh und stolz auf ein gelungenes Kunstwerk zum Gedächtnis eines großen deutschen Befreiers blickenden Festteilnehmer. Eine große Oratorienaufführung in diesen Tagen – dazu gehört schon ein gut Teil vom Luthergeiste. „Und wenn die Welt voll Teufel wär‘!“ Und der Verein für klassische Kirchenmusik und sein Leiter Erich Band haben es wieder mit treuester Hingabe aller Kräfte und heller Kunstbegeisterung geschafft. Das tiefdringende Verständnis und die Liebe für die melodischen Schönheiten und die lebensvolle, warme Klangfülle von Mendelssohns Paulus, die der Leiter der Aufführung, der Chor, die Solisten und das Orchester dem Werk entgegenbrachten, haben schon im letzten Winter die immer seltener gewordene Erscheinung dieses Oratoriums mit neuem Glanz umgeben. Er ist auch in dieser Aufführung unvermindert erhalten geblieben. Und trotz dunkler Kriegswolken und strahlender Sommersonne hat eine große Kunstgemeinde auch diesmal wieder in der Stiftskirche in dem hellen, reinen Licht dieser Musik Erhebung und herzlichen Genuß gefunden. Der fein anregenden und sicher zusammenfassenden Führung von Erich Band, der sorgsamen, von schöner stimmlicher Begabung und lebhaftem künstlerischem Empfinden getragenen Ausführung der Solopartien durch Olga Band=Agloda, Johanna Bueß, Heinrich Kühlborn (Darmstadt) und Felix Fleischer – an dieser Stelle schon wiederholt als erfolgreich Mitwirkende gewürdigt – dem ausdrucksvoll beweglichen und einheitlichen Wirken des Chores und des Instrumentalkörpers, der Hofkapelle (Violoncell=Solo Alfred Saal) und der von Heinrich Lang gemeisterten Orgel waren diese festlich erhebenden Stunden zu danken. Die Aufführung war ein würdiger Abschluß des bedeutungsvollen kirchlichen Festtages, der unsere Stadt um ein schönes künstlerisches Zeichen rühmenden und dankbaren Gedächtnisses für große Geistestaten bereicherte.

S.

Die Jugendfeier.

Für die Schuljugend war ein Jugendgottesdienst vorgesehen. Im Frieden hätte sich diese Feier, besonders bei dem gestrigen prachtvollen Wetter, am stimmungsvollsten auf dem freien Platz vor dem Denkmal abgespielt; die Kriegslage gebot Verlegung in die Kirche, in der über 2000 Schüler und Schülerinnen sich versammelt hatten. Vortrag von Festgedichten (von K. Hoffmann, H. Mosapp, Fr. Braun, A. Dix) rahmten die Feier ein; in ihrem Mittelpunkt stand eine kraftvolle Ansprache des Schriftführers des Denkmalausschusses, Schulrat Dr. Mosapp, die der Jugend die Geschichte des Denkmals und die Bedeutung seiner einzelnen Figuren und Teile lebendig vor die Seele stellte und sie zu treuem Festhalten an den heiligen Gütern der Reformation mahnte.

Stuttgarter Neues Tagblatt - Morgen=Ausgabe - Montag 25. Juni 1917.

08.07.1917 Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt

Von da und dort. Am Sonntag den 24. Juni, dem 418. Geburtstag des württ. Reformators Brenz, wurde das württ. Reformationsdenkmal an der Hospitalkirche zu Stuttgart enthüllt in Gegenwart unseres Königspaares, vieler hoher Würdenträger und einer zahlreichen, ernst aber dankbar feiernden Gemeinde. Nach der Kantate des evang. Altmeisters Seb. Bach: „Erhalt uns, Herr, bei Deinem Wort“ predigte im Festgottesdienst Stadtpfr. Gauger über Hebr. 13, 7: „Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben…“ Er erinnerte an den besonders reichen Segen, den Württemberg von der Reformation gehabt, aber auch an Aufgaben, welche die Zukunft uns stellt, und schloß mit dem Wahlspruch Herzog Ulrichs: „Gottes Wort bleibt in Ewigkeit“. Am Denkmal sprach der Vorsitzende des Ausschusses, Prälat D. von Merz u. a. folgendes: „Mit der ganzen Christenheit bekennt sich die Kirche der Reformation zu Christi Kreuz und zeugt von Seiner Auferstehung, durch die sie lebt, am hellsten in den dunkelsten Zeiten ihrer Geschichte, in Wort und Lied und in stählerner, ausharrender Geduld. In den Nöten und Wirrnissen der Gegenwart, da Treu und Glauben ausgelöscht scheinen und Haß und Arglist mit Blut die Erde füllen, bleibt es dabei wie vor 400, wie vor 1900 Jahren: Er ist der Weg, Er ist die Wahrheit und das Leben. Wir stehen zum Glauben unserer Väter: indem wir dieses Denkmal aufrichten, schreiben wir an die Kirchenwand, wie Luther an die Wand seiner Stube auf der Koburg: Vivit, Er lebt!“ O.-K.-R. Stadtdekan Traub sagte bei Übernahme des Denkmals u. a.: „Das Denkmal mahnt die evangelische Gemeinde, zu halten, was sie hat: protestantisches Nein, evangelisches Ja. Frei wollen wir sein in Glaubenssachen, unbezwungen von Papstmacht und Jesuitenlist. Frei, weil im Gewissen gebunden an Gottes Wort und damit geschieden vom Unglauben und der Schwarmgeisterei ungesunder Frömmigkeit.

‚Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand‘. … In schwerer großer Gegenwart gedenken wir schwerer großer Vergangenheit und stärken uns zu evangelischer Treue für schwere große Zukunft, so wenig wie unsre Väter auf uns selbst bauend, sondern auf Den, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft planvoll und zielsicher eins sind, den menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn, unsern einigen Mittler und Fürsprecher, den einigen Gesundmacher der Seelen und König des Reichs.“ – Ein glücklicher Gedanke war auch der Abschluß durch eine Jugendfeier mit über 2000 evang. Kindern Stuttgarts in der Hospitalkirche, unter Leitung von Schulrat Dr. Mosapp, der den Kindern die Bedeutung des Denkmals lebendig vor Augen stellte. Der Gesang von „Ein‘ feste Burg“ schloß als jugendliches Gelöbnis die Feier, bei der zum letztenmal vor der Abnahme die Hospitalkirchenglocken in ihrem Vierklang sich hören ließen.

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt 08.07.1917 - S. 221

15.07.1917 Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt

- Ein treuer Stuttgarter Leser schreibt uns vom Feld: „Mit herzlicher Freude las ich im Sonntagsblatt vom Reformationsdenkmal. So Gott will, werde ich’s beim nächsten Urlaub aufsuchen. Können Sie ein Bild hievon im Sonntagsblatt bringen? Wäre für manchen Schwaben eine Freude! (Wird womöglich geschehen! Schriftleitung.)

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt 15.07.1917 - S. 230

Anmerkung: in den Ausgaben bis Ende Jahr 1917 wurde kein Bild abgedruckt.

Merz, Das württembergische Reformationsdenkmal Jakob Brüllmanns in Stuttgart

Sonderdruck (1917) aus dem Christlichen Kunstblatt zum Download
16 Seiten & Umschlag

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01.02.1918 Protokoll der Schlußsitzung

mit Finanzabrechnung / -übersicht zum Download

05.02.1918 Pressenotiz

23.06.1918 Staatsanzeiger

Ausführlicher Bericht zum Download

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08.11.1962 Amtsblatt der Stadt Stuttgart

Ausführlicher Bericht zum Download

Danksagung

Bei der Erstellung dieser Seiten waren mir viele Personen behilflich. Ihnen allen sei hier sehr herzlich Dank gesagt, ebenso MitarbeiterInnen von Bibliotheken und Archiven - insbesondere:

Jörgen Haase
Pfarrerin Monika Renninger
Pfarrer Eberhard Schwarz
Heike van der Horst

Inhabern, MitarbeiterInnen der Firmen:
Fa. AeDis - Denkmalsanierung
Fa. Alfred Kärcher - Reinigung

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Impressum

Reformationsdenkmal an der Hospitalkirche Stuttgart fotografiert zwischen 28.03. und 02.07.2017. Dokumente recherchiert 2018 & 2019.
Auf www.kirchen-online.com veröffentlicht am 20.04.2019 SDG
(c) 2019 Foto-Kunst Andreas Keller

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